FUCHS in den Medien

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n-tv.de, 17. Mai 2006

Interview mit Sigurd Fleischer, Steuerexperte und stellvertretender Chefredakteur der Fuchsbriefe zum Thema Steuerreform.


Erhöhung der Mehrwertsteuersteuer um zwei Prozentpunkte oder bleibt es bei drei Prozentpunkten, Pendlerpauschale stark reduziert und Sparerfreibetrag halbiert, dafür Reichsteuer, aber bitte nicht auf gewerbliche Einkünfte, Unternehmenssteuerreform 2008 oder vielleicht doch schon ein Jahr früher.

In der augenblicklichen Debatte über die anstehende Steuerreform herrscht vor allem eins: Unsicherheit. Klarheit über den Stand der Dinge hat Sigurd Fleischer, Steuerexperte und stellvertretender Chefredakteur der FUCHSBRIEFE.

n-tv.de: Herr Fleischer, kann man heute schon sagen, wie die anstehende Steuerreform aussehen wird?

Fleischer: Alles weiß man heute sicherlich noch nicht, aber die wesentlichen Eckpunkte zeichnen sich immer deutlicher ab. Die Mehrwertsteuererhöhung von 16% auf 19% kommt definitiv zum 1.1.2007. Die Pendlerpauschale bekommen nur noch Arbeitnehmer für Entfernungen von mehr als 20 Kilometer von zuhause bis zum Arbeitsplatz und der Sparerfreibetrag wird halbiert. Umgekehrt soll der Beitrag zur gesetzliche Rentenversicherung um einen Prozentpunkt sinken.

n-tv.de: Steuersystematisch ist es doch vernünftig, indirekte Steuern - wie die Mehrwertsteuer - zu erhöhen und dafür direkte Steuern zu senken. Andere europäische Länder wie beispielsweise Österreich haben damit gute Erfahrungen gemacht.

Fleischer: Grundsätzlich ist das richtig. Aber in Deutschland geht es ja nicht um eine Verlagerung von direkten zu indirekten Steuern - hier geht es ausschließlich ums Abkassieren der Bürger. Die Mehrwertsteuer steigt und Steuervergünstigungen werden gekürzt, weil die Regierung nicht in der Lage ist zu sparen.

n-tv.de: Aber die Unternehmenssteuern sollen doch deutlich gesenkt werden.

Fleischer: Das stimmt. Das ist auch dringend notwendig, damit deutsche Unternehmen im internationalen Wettbewerb nicht weiter behindert werden. Außerdem gehen dem Staat durch die hohen Steuersätze Milliarden verloren. Eyperten schätzen, dass große deutsche Unternehmen, die international agieren, rund 80 Milliarden Euro an Gewinnen ins Ausland transferieren, weil sie dort weniger Steuern zahlen. Aus Sicht der Unternehmen ist das absolut vernünftig - aus Sicht des Staates ist das aber Unfug.

Hohe Steuern bedeuten nicht gleichzeitig hohe Steueraufkommen - das haben wir beispielsweise bei der Tabaksteuer gesehen. Hier konnten wir beobachten, das durch eine Erhöhung der Steuer das Steueraufkommen im Jahr 2004 um fast acht Prozent gesunken ist.

Die Tabaksteuer wurde so lange erhöht, bis der Schwarzmarkt für nicht besteuerte Zigaretten aus dem Ausland boomte und viele Menschen mit dem Rauchen aufgehört haben. Das mag gesundheitspolitisch begrüßenswert sein - gewollt war dies nicht.

n-tv.de: Wie sieht es denn bei den Unternehmenssteuern aus. Gibt es einen Systemwechsel oder eine reine Senkung und wann kommt sie überhaupt?

Fleischer: Nach unseren aktuellen Informationen aus dem Finanzministerium ist ein Systemwechsel, der diesen Namen verdient, vom Tisch.

Als Starttermin läuft es wohl auf 2008 hinaus, auch wenn Finanzminister Steinbrück schon mal 2007 ins Spiel gebracht hat.

Es zeichnet es sich ab, dass es zu einer reinen Senkung der Körperschaftsteuer von derzeit 25% in Richtung 15% kommt. Die Gesamtbelastung für Kapitalgesellschaften, also AGs und GmbHs, würde auf rund 30% sinken.

Gleichzeitig steht immer noch die Möglichkeit im Raum, dass Personengesellschaften, also GbRs, KGs und OHGs zur Körperschaftsteuer optieren können. Vor allem für größere, ertragstarke Gesellschaften, bei denen die Eigentümer oft den Spitzensteuersatz bei der Einkommensteuer zahlen müssen, wäre das eine interessante Möglichkeit, die effektive Steuerbelastung zu senken.

n-tv.de: Gibt es denn wenigstens hier einen Systemwechsel?

Fleischer: Das ist noch nicht klar. Die Tendenz geht klar in die Richtung, vor allem großen Gesellschaften international wettbewerbsfähige Standortbedingungen zu bieten. Die steuerliche Gleichbehandlung von Kapital- und Personengesellschaften bringt offenbar eine Menge Detailfragen mit sich. So wie wir die deutsche Steuergesetzgebung kennen, ist hier wieder mit einem bürokratischen Moloch zu rechnen.

n-tv.de: Wäre Deutschland denn bei dem von Ihnen beschriebenen Szenario international wettbewerbsfähig?

Fleischer: Na ja, Deutschland hat sich ja noch nie durch besonders niedrige Steuern oder Kosten als Standort ausgezeichnet. Wir glauben, dass eine Gesamt-Besteuerung - also inklusive Gewerbesteuer - von Unternehmensgewinnen mit rund 30% ganz o.k. ist.

Derzeit zahlen nur Firmen in Spanien mehr Steuern als bei uns. In allen anderen europäischen Ländern fällt die Belastung niedriger aus - im Durchschnitt um rund 13 Prozentpunkte. Bei einer Senkung der Körperschaftssteuer um 10 Prozentpunkte lägen wir also nur noch knapp über dem europäischen Durchschnitt.

n-tv.de: Strittig ist ja noch die so genannte Reichensteuer, also ein erhöhter Einkommenssteuersatz von 45% statt 42% für Ledige ab einem Einkommen von mehr als 250.000 Euro und Verheiratete ab 500.000 Euro, also diejenigen, die es sich durchaus leisten können.

Fleischer: Leisten können vielleicht, leisten wollen wohl eher nicht. Diese Reichensteuer ist eine populistische Konzession an die Linken in der SPD. Steuerpolitisch ist sie unsinnig.

Die Reichensteuer wird nur dazu führen, dass noch mehr Vermögen ins Ausland verlagert wird. Die Banken in Österreich, Liechtenstein, Schweiz und Luxemburg werden sich bedanken. Unter dem Strich wird die Reichensteuer mittelfristig für den Fiskus ein Minusgeschäft. Dann wird halt ein Teil der Vermögen in Deutschland gar nicht mehr besteuert, weil es weg ist.

n-tv.de: Soll die Reichensteuer auch für Personengesellschaften gelten?

Fleischer: Nach dem jetzigen Stand sollen gewerbliche Einkommen von der Reichensteuer erst einmal ausgenommen werden - das gilt zumindest für 2007.

Ab 2008 sollen nur noch Gewinne von Personengesellschaften, die nicht ausgeschüttet werden, von der Reichensteuer befreit bleiben. Bei Personengesellschaften zählen die ausgeschütteten Gewinne ja als Einkommen der Eigentümer und werden nach der Einkommensteuer veranlagt - genau wie bei einem Angestellten. D.h., die ersten 7.664 Euro Gewinn sind steuerfrei und dann geht es progressiv rauf bis zu 42% Einkommessteuer plus 5,5% Soli auf die Einkommenssteuer, also auf insgesamt bis zu 44,3%.

Werden die Gewinne an die Eigentümer ausgezahlt, könnte bei denen dann ab 2008 noch zusätzlich die Reichensteuer greifen. Das Finanzministerium geht aber davon aus, das 85% der deutschen Personengesellschaften sowieso nicht mehr als 20% Steuern zahlen, weil sie gar nicht so viel verdienen. Das gilt sicherlich für den Friseur um die Ecke oder den Kioskbesitzer. Für die anderen wird wie erwähnt noch an einem Modell herumgedoktert. Es könnte ein Wahlrecht für größere Gesellschaften geben, dass sie sich wie eine Kapitalgesellschaft besteuern lassen können.

n-tv.de: Eigentlich ist immer die Rede davon, das die Reform rechtsformneutral seien soll?

Fleischer: Das ist richtig und würde bei einem Wahlrecht für große Personengesellschaften auch teilweise erreicht werden.

Das ursprüngliche Ziel war es ja, die großen, international tätigen Unternehmen steuerlich gegenüber der Konkurrenz aus dem Ausland nicht weiter zu benachteiligen. Es ging nie darum den Malermeister oder kleinere Mittelständler zu entlasten, die vornehmlich auf dem Binnenmarkt agieren. Für die wird es wahrscheinlich viel zu kompliziert und aufwändig, sich wie eine Kapitalgesellschaft besteuern zu lassen. Das gibt deren Buchführung gar nicht her.

n-tv.de: Wie müsste denn eine vernünftige Steuerreform Ihrer Ansicht nach aussehen?

Fleischer: Vor allem bei den direkten Steuern müssen die Sätze runter. Im Gegenzug könnten Steuerschlupflöcher und Subventionen verschwinden. Allein damit könnte das extrem komplizierte deutsche Steuerrecht deutlich entschlackt werden.

Insbesondere für Unternehmen bedeuten weniger Steuern mehr Wettbewerbsfähigkeit. Das führt zu höheren Gewinnen, die auch tatsächlich in Deutschland versteuert werden und damit zu mehr Einnahmen für Herrn Steinbrück.

Zudem sollte für Kapitaleinkünfte eine Abgeltungssteuer werden. Dabei geht es darum, einem niedrigen Satz pauschal auf Zinsen, Dividenden und Veräußerungsgewinne von Wertpapieren anzuwenden, statt individuell mit der Einkommenssteuer zu belasten. Die Banken würden diese Abgeltungssteuer dann direkt ans Finanzamt abführen. Damit würde die Steuerverlagerung und -flucht insbesondere sehr vermögender Personen ins Ausland gestoppt. Auch das käme dem Fiskus zugute.

Und schließlich: Eine Steuerreform muss langfristigen Bestand haben. Diese Flickschusterei der Regierung macht es für Unternehmen derzeit kaum machbar, langfristig vernünftig zu planen.